Das Märchen von "kinderfreundlich" und "wesensfest"!
Einige der häufigsten Fragen, die von Welpeninteressenten an
mich gestellt wird, ist die Frage, ob die Hunde "kinderfreundlich"
und "wesensfest" sind. Offensichtlich sind dies Begriffe, die auch
dem Laien geläufig sind, ohne dass er sich deren Bedeutung
bewusst ist.
Der Missbrauch dieser Begriffe ist
erschreckend, oft aus Unwissenheit und oft auch aus Berechnung.
In den meisten allgemein gehaltenen
Hundebüchern, in allen einschlägigen Zeitschriften geistert der
Begriff des kinderfreundlichen Hundes herum. Diese Einschätzung
von Hunderassen impliziert zwangsläufig, dass es auch"
kinderunfreundliche" Rassen geben muss.
Kein ernsthafter Kynologe wird
Kinderfreundlichkeit als ererbbare Eigenschaft einer Rasse
definieren, - auch wenn es viele kinderfreundliche Hunde gibt,
so kann man diese Eigenschaft niemals einer ganzen Rasse
zuordnen.Wenn der Welpe zur Welt kommt, so werden ihn
die Erfahrungen prägen, die er in seiner Prägephase und auch in
seiner späteren Entwicklung mit Kindern macht. Haben Welpen das
Glück, in einer ausgeglichenen und positiv besetzten
Hund-Kind-Beziehung aufzuwachsen, so werden sie Kindern eine
positive Grundhaltung entgegenbringen und zwar solange diese
positiven Erfahrungen nicht durch negative überlagert werden, -
also hoffentlich ein Leben lang. Und das trifft auf Welpen jeder
Rasse zu, - ohne Ausnahme!
Allein die Tatsache, dass aus einem kinderfreundlichen Hund auch ein Hund werden kann, der durch
negative Erfahrungen mit Kindern diese nicht mehr ausstehen kann
beweist, dass dieses Verhalten nicht genetisch sondern durch
Umwelteinflüsse geprägt ist. Daher distanziere ich mich als Züchter ganz
bewusst von dieser völlig unsachlichen Verkaufsmasche des
"kinderfreundlichen" Hundes, weil es sogar die Gefahr in sich
birgt, dass der künftige Besitzer gerade die Förderung des
Hundes im Umgang mit Kindern zu wenig beachtet, da sein Hund ja
ohnehin "von vornherein kinderfreundlich ist".
Und der zweite Begriff, der mir manchmal die
Haare zu Berge stehen lässt, ist der Begriff des "wesensfesten"
Hundes. Gerade als Belgierzüchter weiß ich vom
Wolfserbe unserer Rasse, das sich in manchen Situationen in
Angst und Unsicherheit vor Unbekanntem ausdrückt. So genannte
Fachleute sind dann schnell mit dem Urteil des "nicht
wesensfesten" Hundes zur Stelle und zeigen mir damit, wie wenig
sie eigentlich wissen.
Denn gerade die Ängste sind es, die zum
Beispiel dem Wolf das Überleben bis heute gesichert haben. Kein
Tier wurde in der Geschichte so gehasst und verfolgt wie der
Wolf – und doch hat er überlebt, - weil er rechtzeitig gelernt
hat Angst zu haben.
Natürlich sind die Ängste beim Hund bei weitem nicht mehr so ausgeprägt wie beim Wolf, - er muss nicht
mehr im Spannungsfeld von freier Natur, von Jagd und Verfolgung,
leben und die Domestikation hat das ihre beigetragen.
Aber der Wolf, der sich auf den ersten Bären
stürzt, den er in seinem Leben sieht, ist ein toter Wolf und der
Hund, der sich auf alles stürzt was ihn verunsichert ist auch
nicht "wesensfest" sondern verhaltensgestört.
Es würde jetzt den Rahmen sprengen, die
vielen verschiedensten Definitionen zu erläutern, die es zum
Begriff des Hundewesens gibt, es gibt sie von zahlreichen
Verhaltensforschern, Biologen, Kynologen etc., - aber eine
gemeinsame Definition gibt es nirgends.
Der richtige Ansatz kann aber nur sein, das
"Wesen" als die Summe aller ererbten und erlernten
Verhaltensweisen zu sehen - und "fest" könnte für konstantes
Verhalten in vergleichbaren Situationen stehen.
Überhaupt wäre es besser, nur von "Wesenseigenschaften" zu sprechen, dann könnten wir uns das
schwammige Gerede über "Wesensfestigkeit" ersparen. |